Der heilige Fidelis von Sigmaringen

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29.04.1951 / 5. Sonntag nach Ostern

In Christus Geliebte!

„Wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es finden!“ (Mt. 16,25). Was wollen diese Worte Christi sagen? Wer sein Leben retten will… Dürfen wir denn nicht für unser Leben Sorge tragen? Ja, sind wir nicht schon vom Naturgesetz dazu gehalten? Freilich! Aber hier geht es um eine falsche Sorge gegen den Willen Gottes, gegen den Auftrag der Kirche, gegen die Tugend, gegen den Glauben. – Wer zum Beispiel am Sonntag nicht in die Kirche geht aus der Sorge heraus er könnte sich erkälten, zieht sein Leben Gott vor. Glaubt ihr, ein solcher Christ wäre imstande bei schönem Wetter in die Kirche zu gehen, wenn er wüsste, dass kommunistische Häscher ihn kontrollierten, wie in der Ostzone. Wer sein Kind bei schlechter Tat ertappt und nicht straft, um seine Liebe nicht zu verlieren, entzieht in seiner Ehrsucht Gott die schuldige Ehre. Glaubt ihr, ein solcher Vater hätte den Mut, sein Kind in die katholische Schule zu schicken, wenn er deshalb von seinen Vorgesetzten oder Arbeitskollegen schräg angeschaut würde. Wer sein Leben retten will, verliert es an den Satan. Wer mit der Augenlust, Fleischlust und der Hoffart des Lebens Kompromisse schliesst, verbindet sich mit den Genossen der Hölle, verliert sein ewiges Leben. Wer aber sein irdisches Leben um meinetwillen verliert, wird das ewige Leben gewinnen. Die Apostel nahmen diese Lehre ernst und starben als Märtyrer. Durch alle Zeiten kennt die katholische Kirche Märtyrer, auch in unseren Gauen. Heilige wie Luzius und Emerita, Plazidus und Sigisbert, Felix und Regula sind euch wohlbekannt. Andere leben nur mehr verschwommen in unserem Gedächtnis, obwohl ihre Sprache auch in unsere Zeit hineinpasste. Vor ungefähr 200 Jahren hat der Papst einen Märtyrer aus der Schweiz heiliggesprochen, dessen Gedächtnistag wir letzte Woche begingen. Wer von euch kennt ihn? Dürfte er vielleicht nicht mehr Aufmerksamkeit verdienen? Es ist der hl. Fidelis von Sigmaringen, dessen Reliquie in der Krypta der Churer Kathedrale ruhen und dessen Haupt in Feldkirch feierlich verehrt wird. Sein irdisches Leben war ein immer grösseres Absterben um Christi willen. Lasst uns an seinem Beispiel unseren Glauben stärken!

Geliebte im Herrn! Der hl. Fidelis stammt von Sigmaringen einem Ort in der Diözese Konstanz. Im Jahre 1577 wurde er von frommen Eltern geboren und erhielt den Taufnamen Markus. Nach unschuldig verlebter Kindheit durchlief er mit grossem Erfolg die Schulen, wurde für sechs Jahre Erzieher junger Adeliger und beschloss schliesslich sein Studium in Freiburg i.B. ab mit dem Doktorgrad beider Rechte. Hierauf eröffnete er im Elsass als Advokat eine erfolgreiche Praxis. Aber wie staunen wir, dass er nach kurzer Zeit seinem Beruf und der Welt entsagt. Was mag ihn wohl zu diesem Schritt bewogen haben? Fromm war er geblieben und treu den Geboten Gottes. Doch die Ungunst der Zeit brachte ihn in grosse Gefahren und so entschloss er sich, durch Gottes Gnade angeleitete, die hl. Weihen zu empfangen und in den Bettlerorden der Kapuziner einzutreten. Dort erhielt er den lateinischen Namen Fidelis, was auf Deutsch treu heisst, einen Namen, der gleichsam ein Vorzeichen war für die herrliche Treue, die er Gott und der Kirche bis zum Tode wahren sollte.

Meine lieben Christen! Fidelis verzichtete auf eine glänzende irdische Laufbahn, um für Christus zu leben. Mit vorbildlicher Genauigkeit befolgte er die Regeln seines Ordens, weil er im Kleinen treu war, hat ihn Gott auch für das Grosse treu befunden. Die Gelübte der Armut, Keuschheit und des Gehorsams nannte er die grössten Wohltaten des Himmels. Und wie keiner von heute auf Morgen Olympia-Sieger wird, so war er auch bestrebt, täglich an seiner Vervollkommnung zu arbeiten. Maria, die er kindlich verehrte, war ihm dabei Helferin. Bussübungen und Fasten wurden ihm zur Zweitnatur. Drei bis vier Stunden gönnte er sich Schlaf. Die übrige Zeit brauchte er zum Beten, studieren und Ausarbeiten von Predigten. Nicht selten verbrachte er sogar die ganze Nacht kniend vor dem Allerheiligsten und bat Gott inständig um die Gnade eines sündenfreien Lebens. Wir sind daher nicht überrascht, wenn Zeitgenossen berichten: „Überall, wohin er kam, konnte man im Volk eine merkliche Besserung der Sitten feststellen.“ Sein Beispiel, sein Seeleneifer, seine Predigten wirkten nachhaltig. Als er dem Konvent von Freiburg i.B. vorstand, war das ganze Kloster im Ruf der Heiligkeit. Wie ein echter Jünger Jesu hatte Fidelis auch eine grosse Nächstenliebe. Oft ging er selbst für Arme betteln und setzte sich persönlich für verlassene Witwen und Waisen bei den Fürsten ein. Und wo einst im österreichischen Lager eine Seuche ausbrach, tröstete er die Soldaten, reinigte ihre Geschwüre, gab ihnen die Speisen ein und stärkte sie mit den heiligen Sakramenten. Durch all diese Tätigkeit wurde er reif für das Amt, welches die göttliche Vorsehung ihm bereithielt: das Apostelamt. Rhätien war damals von häretischen Irrlehren heimgesucht, die sich auch über die Grenzen nach Italien verbreiten wollten. Da haben die Päpste die Kapuziner beauftragt in diesen Gebieten die katholische Wahrheit zu predigen, um dem Irrtum Einhalt zu gebieten. P. Fidelis, der damals Oberer in Feldkirch war, wurde die Leitung der Mission anvertraut. Damit war sein Wirkungsfeld weit geöffnet. Mit Feuereifer, Geduld und Ausdauer ging er an dieses Amt. Auf Wegen und Strassen, Häusern und Hütten, Bergen und Tälern; in Schweiss und Müdigkeit, Hunger und Kälte, Wagnis und Todesgefahr trat er auf wie ein heiliger Paulus. Selbst Irrgläubige anerkannten seinen wunderbaren Eifer, seine Heiligkeit und Gelehrsamkeit. Die Heimkehr vieler und neue Festigkeit im Glauben waren die Früchte seiner Arbeit. Aber Satan ruhte nicht, er gab verblendeten Anhängern der Irrlehre den teuflischen Rat ihn umzubringen.
Als Pater Fidelis eines Tages in Luzein sich aufhielt, liessen die Verschwörer ihn einladen nächsten Sonntag in Seewis zu predigen. Er vermutete zwar einen Hinterhalt, aber unerschrocken wie er war, wollte er sich nicht eine Vernachlässigung verschulden. Am 24. April 1622 bestieg er in der dortigen Kirche die Kanzel. Trotzdem er dort einen Zettel fand: heute predigst du zum letzten Mal, begann er voll des heiligen Geistes zu sprechen. Plötzlich drangen bewaffnete in die Kirche. Einer Schoss auf ihn und traf ihn nicht. Da verliess er die Kanzel, kniete vor den Stufen des Altares nieder und bot Gott heldenmütig sein Leben dar für die Bekehrung der Verfolger, stand auf, verliess durch eine Seitentür die Kirche – dem Märtyrertod entgegen. Eine dreifache Quelle zeigt heute die Stelle, wo sie ihn erschlugen.

Geliebte! „Wer sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen.“ Der Märtyrertod ist die innigste Nachfolge Christi. Führt daher auch zur höchsten Herrlichkeit. Besteht die Möglichkeit zum Märtyrertod auch für uns? Ja. Doch sie bleibt ein aussergewöhnlicher Vorzug, eine Gottesgnade. Für die meisten bleibt der andere Weg übrig, wo das Kreuz auch nicht fehlt, gemäss dem Paulusbrief: „Alle die in Christus fromm leben wollen, werden Verfolgung leiden“ (2. Tim. 3,12).

Amen.





(Anmerkung: Das Original dieser Predigt wurde ursprünglich mit einer Schreibmaschine geschrieben und dann teilweise manuell nachkorrigiert. Dies führt dazu, dass einzelne Wörter, welche nicht eindeutig lesbar waren «rekonstruiert» werden mussten. Der Inhalt wurde dadurch aber nicht verfälscht.)