Wie ich Hochwürden Herrn Spiritual Amstalden kennen und verehren lernte
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Es war im Jahr 1951 als ich mit meinem zwei Kindern, M. damals 6 Jahre und B. 4 Jahre alt, nach Graubünden kam. Ich war Witwe, reformiert und wohnte vorher in Bern. In einem Dorf in der Nähe von Chur weilte ich bei einer Cousine. Hier lernte ich dann auch meinen späteren Mann kennen, der als gebürtiger Liechtensteiner katholisch war. Schon als Kind hat mich dieser Glaube in seinen Bann gezogen, wurde deswegen auch von meinen Bekannten gescholten. Deshalb ging ich dann hier in unserem Dorf zum katholischen Geistlichen, um etwas mehr von diesem Glauben zu erfahren. Er aber wies mich ab, mit den Worten, ich möchte doch ins Kreuzspital Chur gehen, dort sässe so ein halber Heiliger und der könne aus mir einen bessern Katholiken mache als er. Nun war ich sehr gespannt wie dieser halbe Heilige sich herausstellen würde. Es stand mir dann ein Geistlicher gegenüber, der so aussah wie ich mir immer schon den Heiland selbst vorgestellt hatte. Gütig, durchgeistigt, demütig und doch haftete etwa an ihm, das aus einer anderen Welt zu kommen schien. Ein Engel stand vor mir. Nie war mir ein solcher Mensch vorher begegnet. Sein Gesicht war bleich und von der vielen Krankheit gereift. Ich fühlte, dies war nicht nur ein Christ der Taufe nach, nein dies war ein von Gott begnadeter Mensch. Ein Liebling Gottes. Ich bin heute noch stolz darauf sagen zu können, dass dieser Geistliche mein Lehrer war. Ich forderte viel. Ich wollte manches wissen. Oft brachte ich meinen Lehrer für Momente in Verlegenheit. Einmal sagte er mir, ich mache es ihm nicht leicht. Er wisse oft keine Antwort, aber ich müsse einfach glauben und dann gehe es. Mein guter Lehrer hatte aber auch Feinde und Neider innerhalb seines Wirkungskreises. Er hat mir auch davon erzählt. Er war aber auch zu diesen Menschen voll Güte und verzieh immer wieder. Wie mir eine Angestellte verriet, lag er oft ganz Nächte auf den Knien, um zu beten, wenn ein Mensch sich nicht bekehren oder die heilige Ölung nicht haben wollte. Sein Bett sei dann am Morgen unberührt gewesen. Welche Freude war es aber für ihn, wenn sein Gebet nützte. Er sagte mir einmal strahlenden Gesichtes, er habe einen 90 Jahre alten Fisch gefangen. Er hatte einen alten Mann vor dem Sterben zur Kirch zurückgeholt.
Welch froher Humor in unserem Spiritual steckte, durfte ich oft erfahren. Nach 9 Monaten Unterricht (statt deren nur 6) kam der grosse Tag für mich und meine Kinder. Es war der weisse Sonntag 1953. Bevor ich beichten ging, bat mich Hochwürden, ich solle noch einmal in die Kirche gehen und beten darum, ob ich auch den rechten Weg gewählt hätte. Dann sagte er: Ich möchte, dass sie aus innerstem Herzen dazu ja sagen, denn schlechte Katholiken habe es genug. Er möchte mich als guten wissen. Sonst bleiben sie was sie sind. Ich schätze sie auch so weiterhin sehr. Wie hätte ich nicht mit Überzeugung ja sagen können, bei diesem herrlichen Vorbild?
Unser Spiri, wie wir ihn nannten, war nicht ein Lehrer, der nachdem er seine Schüler getauft hatte, einfach wegblieb. Nein, er besuchte uns oft daheim und ging mit Meli in die Berge. Als er in Luzern krank lag, zog sich unser Herz zusammen. Er lag da wie ein Heiliger. Mein Mann und ich beteten mit den Kindern sehr um seine Genesung.
Als ich dann mit meinem dritten Kinde schwanger wurde, malte mir der Arzt alles Schwarze an die Wand. Ich hätte kein Kind mehr haben sollen, meiner kranken Nieren wegen.
In meiner Not ging ich wie immer zu unserem Spiri. Er tröstete mich damit, dass kein Haar von unserem Haupte falle, ohne dass es Gottes Wille sei. Als die Geburt nahe war (Spiritual Amstalden war gerade in Brasilien), kam eine Karte von ihm an. Darauf schrieb er, ich solle guten Mutes sein, er habe am Grabe seines Onkels Kaplan Amstalden für mich gebetet. Es werde alles gut sein. Es war so, alles ging sehr schnell, sogar ohne Arzt. Als unser Spiri dann zurückkam, war die Freude gross, als er dem kleinen Theo seinen Segen geben konnte. Nie habe ich in der nächsten Zeit des Leidens unseren Freund klagen gehört. Immer sagte er, es gehe ihm gut, denn er stehe ja in Gott. Er wurde immer schmäler und immer blasser. Dabei aber immer fröhlicher. Nachdem er erneut operiert worden war, wollte ich ihn besuchen. Die Krankenschwester jedoch wies mich ab. Mit Tränen in den Augen stand ich vor seiner Türe. Da ging diese auf und eine andere Schwester kam hinaus. Der Kranke sah mich, drohte der Schwester mit dem Finger und war nicht zufrieden, dass man seine lieben Freunde nicht zu ihm lassen wollte. So kam es doch dazu, dass ich ihn sehen durfte. Ich war erschüttert. Welch ein Leiden, welch ein Gezeichneter lag da und streckte mir beide Hände entgegen zum letzten Mal. Er bat mich mit meiner Familie für ihn zu beten. Er sagte, er wisse, dass wir ihn nicht mehr nötig hätten, jedoch Gottes Wille sei der meine. Er würde vom Himmel aus für uns viel mehr tun können.
Ich ging heim, das Herz voller Trauer und flehte zu Gott, uns den lieben Freund nicht zu nehmen. Ich habe Bruder, Mutter und meinen Mann geben müssen, war aber nie so trostlos wie damals. Mein Gebet war umsonst. Es sollte nicht sein. Mir wurde klar, dass Gott sich nicht zwingen lässt. Wir trauern heute noch um diesen heiligmässigen Menschen. Jedes Jahr stehen wir einmal an seinem Grabe. Einmal sagte mir HH Regens Durrer ich solle doch Spiri anrufen, wenn ich in Not wäre. Bald war es soweit. Wir hatten eine grössere Summe Geld zu gut, von dem sollte ich eine grosse Rechnung bezahlen. Ich hatte noch einen Tag Zeit, um diese zu bezahlen. Das Geld war aber noch nicht da. Ich stand in der Stube beim Bügeln. An der Wand hing das Bild von unserem lieben Verstorbenen. Da sah ich zu ihm auf und bat ihn uns doch zu helfen durch seine Fürbitte.
Denn er hatte mir ja gesagt, er könne von oben mehr für uns tun. Bitte Spiri sagte ich, schau einmal zu mir, nur ganz kurz, ich habe Hilfe nötig. Wenige Minuten später läutete das Telefon. Es war der Bericht, dass das Geld abgeholt werden könne. Wir hatten wochenlang darauf gewartet. Mein Mann, die grossen Kinder und ich sprechen noch oft von unserem Spiri und sind uns einig, dass uns ein solcher Mensch nie mehr gegenüberstehen wird. Wenn er im Spital mit der hl. Kommunion kam, war es als ob der Heiland durch ihn auch wirklich dastehen würde für unsere Augen sichtbar. Er war in meinen Augen ein Heiliger auf Erden schon.
Gez. Frau Luzia Gstöhl-Kühni, Gargin Trimmis b/Chur 7203