Domine non sum dignus!

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16.04.1950 / Weisser Sonntag

Geliebte im Herrn

Domine non sum dignus, o Herr ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach, so betet der Priester in jeder heiligen Messe vor dem Empfang der Eucharistie. O Herr ich bin nicht würdig, so beten alle Gläubigen, die der heiligen Handlung folgen und klopfen mit dem Priester demütig an die Brust. Wir kennen auch aus dem Leben Jesu die Begebenheit, an welcher ein Heide diese Worte zum ersten Mal gesprochen und von Christus das Lob erhielt: „Wahrlich, einen solchen Glauben habe ich in Israel noch nicht gefunden.“ Wie lautete das Urteil heute über uns? Wir wollen uns nicht über die Apostel stellen. Es scheint wirklich, dass dieser Tadel uns ebenso treffe, wenn wir Christen beim öfteren Empfang der heiligen Kommunion kein besseres Beispiel der Gottesverbundenheit und Gottesliebe geben. Wo fehlt es da? Im Zeitalter der häufigen Kommunion besteht unleugbar die Gefahr, dass manche Gläubige das Hintreten zum Heiligsten der Sakramente allzu leicht und oberflächlich nehmen oder glauben durch ein Lippengebet ohne Herz und Seele und ohne Gesinnungsänderung genügend vorbereitet zu sein. Da belehrt uns der heilige Chrysostomus, wenn er sagt: „Niemand trete gleichgültig hinzu, niemand lässig, alle voll Feuer, voll Begeisterung, voll Ehrfurcht!“ Besinnen wir uns heute wieder einmal auf die gute Vorbereitung.

Geliebte im Herrn!
Zur Zeit, als die Juden noch in Ägypten weilten, hütete Moses die Schafe seines Schwiegervaters in der Steppe. Eines Tages führte er die Herde gegen den Berg Horeb hinauf. Da sah er plötzlich einen Dornbusch in hellen Flammen stehen, ohne dass dieser verbrannte. Als er näher hinzutreten wollte, um die Ursache festzustellen, hörte er aus den Flammen seinen Namen rufen: „Moses, Moses! Tritt nicht näher heran! Ziehe die Schuhe von deinen Füssen, denn der Ort auf dem du stehst, ist heiliger Boden!“ Hierauf gab sich der Sprechende zu erkennen: „Ich bin der Gott deiner Väter, der Gott Abrahams, Isaaks, Jakobs.“ Da verhüllte Moses sein Angesicht, denn er scheute sich, zu Gott aufzuschauen (Exod. 3.1 ff.). So berichtet uns die heilige Schrift. Wo Gott sich niedergelassen und seine Gegenwart feststeht, da dürfen Schuhe, welche die profane Welt durchschritten, nicht mit dem Heiligsten in Berührung kommen. Das Ausziehen der Schuhe bedeutet die innere Ehrfurcht an. Deshalb versahen auch die israelitischen Priester ihren Dienst im Heiligtum barfuss. Noch heute legen die Mohammedaner vor dem Betreten einer Moschee ihre Schuhe ab. Auch innerhalb der katholischen Kirche wird dies in einzelnen Gegenden des Orientes gemacht. Das Anziehen der Pontifikalschuhe für die liturgischen Handlungen eines Bischofs, erinnert uns auch daran. Einen ähnlichen Zweck erfüllt nun heute das Weihwasser, am Eingang des Gotteshauses. Es soll an die Pflicht mahnen, nur mit gereinigter und von allem weltkirchlichen Tand gelöster Seele das Heiligtum zu betreten. Wo aber der tiefe Sinn dieses Sakramentale nicht mehr verstanden wird, und der Griff zum Weihwasserbecken zu einer mechanischen Handbewegung herabgesunken ist, dort ist der Christ auch nicht mehr bewusst, dass der Ort den er betritt, heiliger Boden ist. Schon am Portal sollte man die Gesinnung des heidnischen Hauptmannes an dir wahrnehmen können. Zur Vorbereitung auf die heilige Kommunion aber ist weit mehr verlangt. Wer sich dem Tische des Herrn nahen will, muss, so schreibt das Konzil von Trient ehrbar gekleidet sein und von Mitternacht an streng nüchtern bleiben, ausser er sei in Lebensgefahr, oder es treffe ein anderer Notfall zu. Die nicht lebensgefährlich Kranken, die schon einen Monat darniederliegen, ohne sichere Hoffnung auf baldige Genesung, dürfen auf den Rat des Beichtvaters ein- oder zweimal in der Woche kommunizieren, auch wenn sie vorher Arznei oder etwas Flüssiges zu sich genommen haben. Für den Gesunden aber ist das Nüchternheitsgebot sehr streng.

In Christus Geliebte!
Moses löste nicht nur seine Schuhe von den Füssen, sondern er verhüllte auch sein Antlitz; denn er scheute sich, als sündiger Mensch zu der im Feuer erschienenen Herrlichkeit Gottes aufzuschauen. Wenn wir dies hören, denken wir dabei nicht an den Psalm 23.3, wo es heisst: „Wer darf hinansteigen zum Berge des Herrn und eintreten in seine heilige Stätte? Wer reine Hände hat und lauteren Herzens ist.“ Die apostolische Mahnung des heiligen Paulus beinhaltet: „Es prüfe der Mensch sich selbst, und so esse er von diesem Brote und trinke aus diesem Kelche; denn wer unwürdig ist und trinkt, der isst und trinkt sich das Gericht, da er den Leib des Herrn nicht unterscheidet.“ (1. Kor. 11,28). Mit Scheu und Ehrfurcht muss also der Mensch zu diesem Mahle hintreten, und alles tun, um vor dem Urteil des gegenwärtigen Herrn bestehen zu können. Wer sich einer schweren Sünde bewusst ist, darf nicht ohne sakramentale Beicht die heilige Kommunion empfangen, sonst begeht er ein sakrilegisches Verbrechen. Er zwingt Christus in die Wohnung Satans.

Geliebte! Nicht nur sollte man frei von der Todsünde sein, dazu gehört noch mehr. Seht ihr nicht, wie die Kirche ausgestattet ist, um dem Raum des Herrn eine geweihte Atmosphäre zu geben: mit Kerzen, Bildern, Statuen, Altären und Blumen. Soll nun unsere Seele, die zur Wohnstatt Gottes wird, kahl bleiben? Dazu besteht die Gefahr, wenn uns die Gebetsworte und der Gang des Gottesdienstes vertraut geworden sind. Wir brauchen nicht schlechter zu sein, als bei der ersten Kommunion. Aber die Versuchung grösser abgestumpft, ungeistig und ehrfurchtslos zu werden, ja „den Leib des Herrn nicht zu unterscheiden“, die Gabe des Lebens wie etwas Alltägliches zu empfangen, ohne heilige Scheu, Dankbarkeit und Selbsterniedrigung. Ein jeder prüfe sich also zuvor, ob er seine Seele geschmückt hat mir einem persönlichen Opfer der Selbstüberwindung und Verdemütigung, sei es am frühen Morgen oder am Tage vorher. So wird das Alltägliche immer wieder neu, durch das neue Opfer.

Der heilige Aloisius, nach damaligem Brauch nur alle acht Tage zur heiligen Kommunion zugelassen, teilte sich in liebendem Eifer die Woche so ein, dass er die erste Hälfte der Woche zur Danksagung für die vergangene, die zweite Hälfte zur Vorbereitung für die kommende heilige Kommunion verwendete (Koch 435,7,1). Sollten wir nicht alles uns Mögliche tun, um es zu verdienen, unseren Herrn und Heiland alle Tage empfangen zu dürfen? (Pfr. v. Ars). Erst dann werden Ehrfurcht, Begeisterung und heiliges Feuer nicht fehlen. Erst dann wird jede Gottesvereinigung uns zu grösserer Heiligkeit und höherer Glückseligkeit führen.

Amen.





(Anmerkung: Das Original dieser Predigt wurde ursprünglich mit einer Schreibmaschine geschrieben und dann teilweise manuell nachkorrigiert. Dies führt dazu, dass einzelne Wörter, welche nicht eindeutig lesbar waren «rekonstruiert» werden mussten. Der Inhalt wurde dadurch aber nicht verfälscht.)