Bruder Klaus und die Gottesfurcht
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25.09.1950
Geliebte im Herrn!
Der Mensch ist unsterblich! Nicht dem irdischen Leibe nach, der in Staub und Asche zerfällt. Nicht den Reichtum und Ansehen nach. Welch ein Vermögen vermag dem menschlichen Leben auch nur eine Elle hinzufügen? Nicht der Grösse und Gewalt nach. Ein Alexander der Große, ein Napoleon, mögen sie noch so große Gewalt gehabt haben, der Tod hat auch sie überwältigt und ihre Erinnerung liegt begraben in toten Geschichtsbüchern. Und doch - der Mensch ist unsterblich. Der Seele nach. Ja, das ist sicher. Die Seele erschafft Gott. Sie ist Odem von seinem Odem. Aber gibt es nicht noch eine andere Unsterblichkeit? Wir erleben es doch, dass Menschen die schon längst gestorben sind, geliebt, geehrt, angerufen, um Rat gefragt werden, als ob sie immer noch unter uns weilten, als ob sie uns verstünden, als ob sie unsere Lehrer wären. Zum Beispiel Ordnungsstifter wie Benediktus, Franziskus, Ignatius und Heilige Bekenner wie Kamillus, Elisabeth, Bruder Klaus und so weiter. Ist das nicht sonderbar? Der Psalmist gibt uns darauf eine Erklärung, wenn er singt: „Selig, wer den Herrn fürchtet! … In ewigem Gedächtnis lebt der Gerechte.“ (Ps.111) „Gottesfurcht ist der Anfang der Weisheit.“ Der Himmel macht den Gottesfürchtigen zum Sprachrohr seiner Weisheit, die sich kund tut durch sein Beispiel und sein Wort. Aber wo finden wir heute noch Vorbilder, aus denen Gott spricht, Menschen der Gottesfurcht, deren Andenken weiterlebt? Finden wir sie in unserem Schweizerlande?
Geliebte im Herrn! Morgen feiern wir das Fest des hl. Bruder Klaus, des Patron des Schweizerlandes. Papst Pius XII hat diesen Tag für die Schweiz bestimmt. Mit der Heiligsprechung eines Schweizers [vor drei Jahren] wurde der einzigartigen Gestalt aus dem 15. Jahrhundert eine Ehrung zuteil, wie sie höher auf Erden und in der Kirche Christi niemandem widerfahren kann (Papstansprache). Und das geschah 460 Jahre nach seinem Tode. Aber sind nicht heute seine Worte in allem Mund und seine Ratschläge richtungsgebend für die schweizerische Politik? Woher kommt das? Sein ganzes Leben & Tun ist aus Gottesfurcht herausgewachsen. Darum kann der hl. Vater in seiner Ansprach ihm das Zeugnis ausstellen: „Wo immer Nikolaus von Flüe uns entgegentritt, ist er der gottesfürchtige Mensch.“ Gottesfürchtig sein heisst aber nicht, wegen unserer Sünden in beständiger, aufgeregter Angst zu leben, von Gottes Grösse erdrückt zu werden. Es heisst auch nicht ausschliesslich eine Furcht vor der Hölle zu haben, wie ein Kind vor dem Feuer, sondern es ist jene ehrerbietige, kindliche Ehrfurcht gemeint, die uns vor jeder Beleidigung Gottes zurückschrecken lässt. Es ist jene Tugend, die wir als siebte Gabe des hl. Geistes in der Pfingstzeit von Gott erflehen: Die Furcht des Herrn. Es wird einleuchten, dass diese Tugend das Gute gut und das Schlechte schlecht nennt, dass diese Tugend die Sucht auch nach erlaubten irdischen Vergnügen mässigt und uns immer mehr auf Gott schauen lässt, dem wahren Ziel unseres Lebens. Aber es darf kein sklavischer Gehorsam sein, wenn wir auf Gottes Gebote schauen. Kein leidiges Müssen, sondern ein freudiges Dürfen ist Gottes würdig. Ein freudiges Dienen liebt der Herr und segnet es, dass wir für alle Lebenslagen die Kraft erhalten ihm treu zu bleiben.
Ist uns dafür nicht der hl. Bruder Klaus ein sprechendes Beispiel. Er hatte in der Jugend schon Gott vor Augen, darum kam er im Alter zu dieser Grösse. Sein Jugendfreund und Nachbar berichtet: „Bruder Klaus war immer ein eingezogener, guter, tugendhafter, frommer und wahrhaftiger Mensch gewesen, der niemand erzürnte.“ Im Krieg, wo er als Offizier diente, hatte er nicht nur seine Waffe, sondern sich selbst in den Händen gehabt. „In den Kriegen hat er seine Feinde wenig geschädigt, sondern sie nach Vermögen geschirmt. Er ist immer gottesfürchtig gewesen“, erzählt Erni an der Halten. Und ein anderer Zeitgenosse bemerkt: “Niklaus war der grösste Freund des Friedens. Doch wo es fürs Vaterland zu streiten galt, wollte er nicht, dass die Feinde wegen seiner Untätigkeit, unverschämt grosstun könnten. Sobald deren Kräfte aber zusammengebrochen waren, mahnte er nachdrücklich zur Schonung.“ (Durrer 464 & 533). Bruder Klaus war Gatte und Vater von 10 Kindern. Wir staunen über den Ruhmestitel, den der hl. Vater dieser Familie gab. Wörtlich sagte er: “Wir sehen hier der reinen Ehe Hoheit und Würde.“ Und als Ratsherr bekennt er von sich selber: „Ich war mächtig in Gericht und Rat und in den Regierungsgeschäften meines Vaterlandes. Dennoch erinnere ich mich nicht, dass ich vom Pfade der Gerechtigkeit abgewichen wär.“
Meine lieben Christen! Welcher Amtsmann kann das heute mit ruhigem Gewissen von sich sagen? Es ist zwar schwierig gottesfürchtig zu bleiben, wenn man die Macht hat auch ungerechter Weise Vorteile sich zu verschaffen. Doch denken wir an die Worte des Herrn: „Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, an seiner Seele aber Schaden leidet!“ Es ist auch nicht leicht mässig zu sein, wo wir dem Nächsten unsere Macht fühlbar zeigen könnten. Sei es im Bereich der Familie oder unter Angestellten. Aber darin zeigt sich nicht die Grösse. „Ihr wisst,“ mahnt der göttliche Heiland, „dass die Fürsten der Völker ihre Gewalt fühlen lassen. So soll es nicht unter euch sein, sondern wer unter euch gross werden will, muss euer Diener sein.“ (Matth. 20,25ff) „Und wer mir dient, den wird der Vater ehren“ (Jh.12,26) Hat es dies nicht an unserem Landsmann Bruder Klaus getan!
Ja, meine lieben Christen, „Selig wer den Herrn fürchtet! In ewigem Gedächtnis lebt der Gerechte. „Gott kann durch ihn Unsterbliches vollbringen. Bruder Klaus war das Werkzeug seiner Weisheit. Dreimal hat er Frieden vermittelt. Er war das Werkzeug seiner Macht. Er löschte mit seinem Gebet den Dorfbrand von Sarnen. Er war das Werkzeug göttlichen Erbarmens. Grösste Sünder haben sich auf sein Wort hin bekehrt. Brauchen wir noch Beweise, dass Gottesfurcht zu allem nütze ist? Hier liegt unsere Aufgabe als ganze Christen. Führen wir sie durch im Geiste und in der Kraft des hl. Bruder Klaus, dann können wir in Wahrheit sagen, dass er unser Heiliger ist.
Amen.