Christi Himmelfahrt
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03.05.1951
Geliebte im Herrn!
„Ihr Männer von Galiläa, was schaut ihr staunend zum Himmel?“
Was seht ihr da anders, als die gewöhnlichen Wolkengebilde über dem Ölberg, die sich vom blauen orientalischen Himmel abzeichnen. Schon oft waren die Jünger hier gestanden zu jeder Tages- und Nachtzeit. Nie hatten sie so hinaufgeschaut. Wohl aber hinunter in die Stadt Jerusalem, in den Ort der Verheissung. Damals, als sie voll Nationalstolz und hl. Freude Jesus aufmerksam machten: Schau mal, diese Stadtmauern, diese gewaltigen Quadersteine der Festungen und das Wunderwerk des Tempels! Ist das nicht schön? „Und doch wird kein Stein auf dem andern bleiben.“ War die ernste Antwort Christi. Die Jünger erschraken, weil das Urteil des Meister für sie Wahrheit war. Einen Trost aber hatten sie noch. Mag kommen, was da will. Wir haben den Meister, den Messias bei uns. Und heute ist er verschwunden. Vergebens schauen sie nach der Wolke, die ihn verbarg. Sie sind und bleiben allein. – Auf dem Ölberge wurde ihnen alles genommen: die Vaterstadt, durch die Prophezeiung ihrer Zerstörung, das Leben des Meisters, durch die Gefangennahme, sichtbare Gegenwart mit der Himmelfahrt. Ist das wirklich so? Wer nur menschlich überlegt, kann nicht anders urteilen. Wer aber im Lichte des Glaubens diese Ereignisse betrachtet, spürt daraus den Segen Gottes für seine Jünger und die ganze Welt.
Geliebte Christen! Eine Ölbergstunde öffnete den Jüngern die Augen fürs Jenseits. Jerusalem, wenn doch auch du wenigstens noch in diesem deinem Tage erkennest, was dir zum Frieden dient. Nun aber ist es vor deinen Augen verborgen. Es werden Tage über dich kommen, da deine Feinde einen Wall um dich werfen, dich ringsum einschliessen, und von allen Seiten bedrängen werden. Sie werden dich und deine Kinder in dir zu Boden schmettern und keinen Stein auf dem andern lassen, weil du die Zeit deiner Heimsuchung nicht erfasst hast.“ (Lk. 19,41). Wie reimt sich diese Stimme mit dem Jubelruf der Psalmisten: „Jerusalem, du bist als Stätte gebaut, wohin die Völker ziehen, die Stämme Gottes, um den Namen des Herrn zu preisen nach Israels Gesetz." (Ps.121). Oder: „Preise Jerusalem den Herrn, preise Sion seinen Gott! Denn er hat die Riegel seiner Tore stark gemacht. Er hat deine Kinder in dir gesegnet. Er gibt Frieden deinen Grenzen." (Ps.147). Die gottbegnadeten Sänger haben diese Liederpsalmen im Angesicht Jerusalems verfasst, und die Juden haben sie als Preislieder auf ihre Vaterstadt ausgelegt. Gleichwohl wurde Jerusalem im Jahre 70 n.Chr. zerstört. Die Christen aber beten die gleichen Psalmen heute noch. Warum? Gottes Geist wollte damals keine irdene Stadt verherrlichen. Nein. Alles, was wir in den Psalmen über Jerusalem, über Sion hören, betrifft allein das himmlische Jerusalem, die ewige Seligkeit. Mit der Prophezeiung des Unterganges ihrer Vaterstadt wurde also den Jüngern etwas genommen: Der Glaube an die irdische Heimat, dafür aber etwas viel Kostbareres gegeben, der Glaube an den Himmel. Geht es nicht oft so in unserem Leben: Gott muss uns etwas nehmen, um unsern Blick freizumachen für das Ewige.
Ein weiterer Schritt meine Lieben, zu dieser Erkenntnis hin, war Jesu Leiden vom Ölberg bis Golgotha. Es vernichtete jede Hoffnung auf den Führer des Messias-Reiches. Die Emaus-Jünger klagten ja: „Wir hofften, dass er es sei, der Israel erlösen werde (vom Joch der heidnischen Römer befreien werde), aber nun ist es bereits der 3. Tag, seitdem die Pharisäer ihn verurteilt und getötet haben“ (Lk. 24,21). Hatte der Erzengel Gabriel nicht Maria verkündet: „Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben. Er wird über das Haus Jakob herrschen in Ewigkeit und seines Reiches wird kein Ende sein“ (Lk. 1,32). Welch ein Widerspruch, wenn wir die irdische Auffassung teilen. Nie hat er Rechte ausgeübt, wie ein weltlicher Herrscher. Doch angesichts des Todes bestand er darauf. „Ja, ich bin ein König, aber mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ Ein Pilatus schüttelte ab solchem Gerede den Kopf. Verstanden es die Jünger besser? So sind auch wir auf dem Irrwege, wenn wir glauben: Es käme eine schöne Friedenszeit für die Kirche auf Erden, wenn der Feind besiegt wäre.
Geliebte im Herrn! Nun ist Christus auferstanden und ist den Jüngern erschienen. Er hat mit ihnen gesprochen, hat mit ihnen gegessen und neue Hoffnung kam in die Herzen der Apostel. Kaum freuten sie sich aber einige Wochen seiner Gegenwart, fuhr er in den Himmel. „Während sie ihm nachschauten, siehe, da standen zwei Männer mit weissen Gewändern bei ihnen und sprachen: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut gegen Himmel? Dieser Jesus der von euch weg in den Himmel aufgenommen wurde, wird wieder kommen, wie ihr ihn habt auffahren sehen." (Apg. 1,10). Das war die letzte Botschaft über Jesus. Dann merkten die Jünger, dass sie allein waren, und doch wieder nicht allein. Es gibt eben zwei Welten: die sichtbare und die unsichtbare. Für beide hat Christus Zeugnis abgelegt. Für die erste, dass er Mensch wurde, litt und starb. Für die zweite, dass er für uns auferstand und in den Himmel auffuhr, um allen, nicht nur den Aposteln, nahe zu sein. Jeder Mensch, der in der heiligmachenden Gnade lebt, trägt Christus in sich, ja die ganze hl. Dreifaltigkeit. Denn „wer mich liebt, zu dem werden wir kommen und Wohnung bei ihm nehmen.“ Daher zieht jeder Gedanke, jedes Wort, jedes Werk seine unsterblichen Fäden in die Ewigkeit – zum Heile oder zum Verderben.
Geliebte! An uns ist es zu entscheiden dafür oder dagegen, wir wissen um was es geht, denn Jerusalem hat uns den Blick zum Himmel gewiesen, Golgotha die Pforte dazu geöffnet, Christi Himmelfahrt den Wert des irdischen Lebens gezeigt. Danken wir im hl. Opfer für diese beseligende Offenbarung!
Amen.