Fronleichnam

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08.06.1950

Geliebte im Herrn!

Das Fest von Fronleichnam, zu Deutsch: Tag des Herrenleibes, das wir etwa am 10. Tage nach Pfingsten begehen, will uns in besonderer Weise an die Einsetzung des Allerheiligsten Altarssakramentes erinnern. Die ganze Liturgie der heiligen Messe spricht davon. Die Menschen selber, sie können die liebende Gegenwart Gottes in der heiligen Hostie nicht im geschlossenen Raum feiern, sie ziehen durch blumengeschmückte Strassen und verehren ihn dort an vier Altären. Wer aber kann das Geheimnis Gottes in der Brotgestalt erfassen? Die Liebe allein ist der Schlüssel zu dieser unfassbaren Tat. Wie die Liebe nicht halt macht vor den grössten Opfern, so schreckte Christus nicht davor zurück, in dieser finstern Nacht seine Grösse zu offenbaren, wo doch der grössten Liebe der schwärzeste Undank, der innigsten Vereinigung der gemeinste Verräterkuss bevorstand. In jener Nacht nahm er Brot und verwandelte es in seinen heiligen Leib. Das hören wir aus der heutigen Epistel. An jedem Tage nimmt Christus auch das Brot und vollbringt das gleiche Wunder durch den Priester. Das vernehmen wir aus den Wandlungsworten. Die Gottesliebe hört nie auf. Wie erwidern wir sie? Lasst uns heute mit Beschämung und mit Ergriffenheit unsere Teilnahme in der Teilnahme Jesu in diesem Geheimnis genauer betrachten.

Geliebte im Herrn! Unsere Teilnahme am Geheimnis der Eucharistie, wie ist sie oft unwürdig! Ich rede nicht über jene, die die heilige Messe mitopfern und draussen im Leben dieses Opfer verwirklichen. Wie viele Christen aber kommen in die Kirche nur um die Messe zu hören. Sie hören die Messe mit den Ohren, aber ihr Herz ist weit davon entfernt. Bei ihren Kleidern, bei ihrem Schmuck bei ihrem Ausflug sind ihre Gedanken. Was könnte ein Andersgläubiger in unseren Kirchen sehen? Menschen, die in ihren Bänken stehen, sitzen oder knien. Die einen haben den Rosenkranz in der Hand, wieder andere lesen Gebete, die sie zufällig finden, andere summen die Gesänge mit; so oft es läutet schlagen sie an die Brust und knien nieder; in Übrigen langweilen sie sich und denken kaum daran, was am Altare vor sich geht. Die lateinische Sprache erschwert noch ihr Verständnis. Und so gehen sie ebenso unwissend und unerbaut wieder fort, wie sie gekommen sind. Christen, sagt selbst, ist das Teilnahme, ist das Opfersinn, wo die kleinste Anstrengung vermieden wird? Wo ist da der lebendige Glaube und die Gegenwart Christi? Sind die Bekenner unserer Tage aus einem solchen Glauben hervorgegangen? Nein. Wahrer Märtyrergeist erwächst aus der innigen Teilnahme am grössten Opfer, dem heiligen Messopfer. Es ist nicht bloss ein verrostetes Andenken an den Herrn, sondern ein lebenspendendes Vermächtnis Christi. Wir erleben die Vergegenwärtigung des Kreuzopfers unblutigerweise und nehmen wie die Apostel teil am letzten Abendmahle. Möchten auch wir die Aufmerksamkeit der Jünger erbitten!

Meine lieben Christen, wie ist die Teilnahme Jesu? Höchst persönlich! In der Nacht, da die Feinde sorgfältig Vorbereitungen treffen ihn zu fangen, trifft er in heiliger Ruhe und glühnder Menschenliebe die Vorbereitung zur grössten Segenstat für die Menschheit. In der Nacht, als man sein Lebenslicht auslöschen wollte, schenkt er uns das Brot des Lebens. „Ich sterbe durch euch“, sagt er, „ihr aber sollt durch mich leben!“ In jener Nacht, wo diese Trennung von den Aposteln besiegelt schien, da hat Gottes undenkliches Erbarmen ein Mittel ersonne, um immerdar bei den undankbaren Menschen zu bleiben. Und wenn sein Fleisch und Blut auf Konservendeckeln und Eierschalen genossen wird, ist das nicht höchstpersönliche Teilnahme am Los der eingekerkerten Christen. – Die Apostel haben ihn verlassen, die Christen haben ihn vergessen. Er aber lässt uns nicht als „Weisen“ zurück. In der schwersten Stunde hat er die heilige Eucharistie eingesetzt, in der schwersten Stunde. „In jener Nacht da er verraten wurde, nahm er Brot, dankte, brach es und sprach: das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ Und dies sprach er nicht nur in Voraussicht seines furchtbaren Todes. Er sah allen Undank und Hass, alle Gleichgültigkeit, Kälte und Bosheit der kommenden Jahrhunderte voraus. Er wusste, dass man noch oft ihn verräterisch behandeln, ihm manchen Judaskuss an der Kommunionbank bieten werde. – Und doch hat er das allerheiligste Blut uns geschenkt, und doch wollte er bei uns bleiben bis ans Ende der Welt. Der Fronleichnam ist die Liebe ohne Ende. Es heisst ein altes Wort: „Gutes mit Bösen vergelten ist teuflisch. Böses mit Bösem vergelten ist tierisch. Gutes mit Gutem vergelten ist menschlich. Böses mit gutem vergelten ist göttlich.“ Dieses Göttliche geschah im heiligsten Sakramentes des Altares.

Geliebte! Handeln wir wenigstens als Menschen und vergelten wir Gutes mit Gutem, indem wir dieses Sakrament gern besuchen, anbeten, empfangen, aufopfern. Wie erbauende Beispiele haben wir aus dem Leben der Heiligen: Der heilige Franz Xaver suchte oft abends nach den vielen mit Reisen und Strapazen Erholung vor dem Tabernakel und konnte sich fast nicht mehr davon trennen. Die heilige Magdalena von Pazzis pflegte zu sagen: „Sie wolle gern ihr Leben hingeben für eine einzige heilige Kommunion.“

Geliebte im Herrn! Ergriffen vom ersten Fronleichnamsfest im Abendmahlssaal von Jerusalem wollen wir heute, wo wir das Andenken im heiligen Opfer feierlich begehen, demütig unsere Knie beugen vor der abgrundtiefen Liebe Christi, wir wollen ihn um Verzeihung bitten für unsere Nachlässigkeiten, wir wollen ihm Treue und Gegenliebe versprechen mit den Worten der Oration, welche der Priester von jedem eucharistischen Segen betet: „Gott, Du hast uns in dem wunderbaren Sakrament das Gedächtnis Deines Leidens hinterlassen. Wir bitten, lass uns die heiligen Geheimnisse Deines Leibes und Blutes so verehren, dass wir auch an der Frucht Deines Erlösungswerkes immerdar Anteil haben. Durch Christus unsern Herrn.“

Amen.





(Anmerkung: Das Original dieser Predigt wurde ursprünglich mit einer Schreibmaschine geschrieben und dann teilweise manuell nachkorrigiert. Dies führt dazu, dass einzelne Wörter, welche nicht eindeutig lesbar waren «rekonstruiert» werden mussten. Der Inhalt wurde dadurch aber nicht verfälscht.)