Allerheiligen
« zurück zur Übersicht
01.11.1947
“Hierauf sah ich eine grosse Zahl, die niemand zählen konnte, aus allen Völkern und Stämmen und Nationen und Sprachen. Sie standen vor dem Thron und vor dem Lamme angetan mit weissen Kleidern.“ (Worte der geheimen Offenbarung 7.9)
Geliebte in Christus!
Wir alle haben gewiss schon einmal in eine klare Sternennacht hinausgeschaut, wo immer unser Blick den Himmel streifte, überall zeigten sich Leuchter an Leuchter - unzählbare Sterne. „Zähle die Sterne des Himmels, wenn du sie kannst“, sprache der Herrn selbst zu Abraham. Diese Menge von Himmelskörper kreisen ihre weiten Bahnen im Weltall und beeinflussen sich gegenseitig mehr oder weniger. Viele sind für unsere Auge unsichtbar, einige können wir nur mit Instrumenten erreichen und andere leuchten und deutlich und weisen oft die verirrten Schiffer auf die richtige Fährte zurück.
Meine lieben Christen! mit dieser gewaltigen Schöpfung der Sternenwelt hat uns der himmlische Vater gleichsam ein Bild geschenkt, das so schön zum heutigen Festtag Allerheiligen hineinpasst. Der grosse Himmelsraum, der alles umfasst, in dem alle Platz finden können, ist die Kirche. Und sind nicht die vielen Heiligen Lichtern gleich, die im irdischen Leben den Menschen leuchten, Sternen gleich, zu denen wir mit Freunden empor blicken, Wegweisern gleich, nach denen wir unseren Weg richten wollen. Ihr Leben ist oft unscheinbar und doch beeinflussen sie uns immer irgendwie. Und so wollen wir miteinander unsere Festtagsbetrachtung machen: Wie die Heiligen durch die Zeiten gehen und überall uns Vorbild stehen.
Geliebte im Herrn! Wenn mir von Heiligen reden, kommen uns unwillkürlich Namen wie die des Denkers Augustinus, des Armen von Assisi, der Landgräfin Elisabeth und des Königs Luzius in den Sinn, die Namen jener also deren Gestalten und Schicksale uns in den Festen des Kirchenjahres, in den Bildwerken der Gotteshäuser und in den Erzählungen der Legenden begegnen. Mit ihnen verbinden wir die Vorstellung des Aussergewöhnlichen. Wir bewundern sie, verehren sie, bitten um Ihre Hilfe, und empfangen von Ihnen Anregung und Weisung. Immer aber mit dem Gefühl, dass sie unerreichbar weit über uns stehen.
Und doch redet Paulus in seinen Briefen die Christen an: “An alle Geliebten Gottes, Berufene Heilige in Rom (1.7)“ oder die Korinther: “An die Gemeinde Gottes in Korinth, Geheiligte, Berufene Heilige (1.Kor. 1,3)“ und ähnlich auch in anderen Stellen. - Mit den Worten “die Heiligen“ meint also das Neue Testament die Christen überhaupt, also jene die an Christus glauben, getauft sind und sich bemühen aus dem Glauben heraus zu leben.
Aber, meine lieben Christen, damals war das Christsein wirklich etwas Aussergewöhnliches. Im Bereich der alttestamentlichen, hellenistisch-heidnischen Welt allein als Christ dazustehen, verlangte einen festen Charakter. Von der Umwelt als fremd und feindlich verachtet und verabscheut zu werden, kostet mehr als gewöhnlichen Glaubensmut. Damals hat eine Bekehrung den Christen direkt aus der Umwelt herausgerissen. Das Evangelium war in der Tat für ihn eine Offenbarung. Die Frohbotschaft der Lehre Christi vernichtete ihre alte Anschauung von Vielgötterei und Aberglauben und das Leben des Gottmenschen Jesus zeigte ihm, wie gut Gott gesinnt ist. So hat die heilige Handlung der Taufe nicht nur sein inneres, sondern auch sein ganzes äusseres Leben umgestaltet. Natürlich gibt es auch hier Unterschiede unter den Gläubigen: Von Grossmütigen bis zu Ängstlichen, von Eifrigen bis zu Lässigen. Dies sehen wir aus der Heiligen Schrift, wo Paulus diese Heilige tadelt und aufmuntert. Aber ihr christliches Leben steht doch im grossen Gegensatz zur heidnischen Welt und ihr Wissen um die Heiligmachende Gnade stempelt sie zu Auserwählten, zu Gotteskindern, zu Heiligen.
II.
Allmählich breitet sich das Christentum aus. Es verliert die Neuheit und wird Staatsreligion. Das Heidentum verschwindet, so dass das Hochmittelalter nur mehr eine christliche Umgebung kennt. Dem gegenüber stellt sich eine neue Form des Ungewöhnlichen, des Heiligen heraus. Es hängt zusammen mit dem Begriff einer besonderen Berufung und Erprobung, eines nur wenigen beschiedenen, mühevollen Lebensweges zusammen. Ansätze dazu finden wir schon im christlichen Altertum. Recht schnell eigentlich bildet sich dieser Heiligkeitsbegriff im Mittelalter heraus, dessen gewaltige menschliche und religiöse Kräfte sich in ungewöhnlichen Steigerungen christlichen Lebens und Leistens auswirken.“ (R. Guardini). Das Heidnische tritt stark hervor: Ein Heiliger ist jener Begnadete, der das Gute, die Tugend in heroischem Masse übt, aus Liebe zu Gott. Er ist der wahre Christ, durch den, mit dem und in dem Christus, das Licht leuchten kann. So Bruno, der heilige Schweiger, Bernhard, der Prediger des Kreuzzuges, Clara, das Vorbild der Armut, um nur wenige zu nennen. - Und am Ausgang des Mittelalters leuchtet ein Stern am Himmel unserer Heimat: Der heilige Bruder Klaus. Er hat die Räte des heutigen Evangeliums in heroischer Weise erfüllt. Er war arm im Geiste, obwohl er mit irdischen Gütern reich gesegnet war. Er hatte Hunger und Durst nach der Gerechtigkeit, trotz Selbstsucht und Missgunst seiner Mitbürger in Rat und Gericht. Er war friedfertig in der Gesinnung und daher auch von Gott begnadigt zur rettenden Tat von Stans.
Und so hat ihn der heilige Vater am 15. Mai dieses Jahres auf den Leuchter gestellt, damit er allen im Hause der Kirche leuchte (cf. Mt. 5,15). Und er bekannte in seiner Ansprache am 16. Mai: „Es ist klar, dass es der Mensch nicht leicht hat, ein so hochgestelltes Ziel zu erreichen. Das Mittelalter machte sich keine Illusionen. Niklaus von Flüe aber ist ans Ziel gelangt, weil er in seiner Person die Synthese von Religion und Leben verwirklicht hat. Darin gleicht er zweifellos allen anderen Heiligen. Was aber an ihm überrascht, ist seine providentielle Aktualität. Er gehört zu jenen Menschen, die obwohl hineingestellt in die konkrete Wirklichkeit ihrer Zeit, derart eins mit Gott waren, dass sie die Kirche zu Ehre des Altäre erhoben hat. - Gab es je einen Bürger, der sich stärker mit seiner Heimaterde verbunden fühlte, einen zarteren Gatten, einen Vater mit zahlreicher Familie, der besorgter war für die Erziehung seiner Kinder, einen Mann des öffentlichen Lebens, der besser auf die Interessen seines Landes gedacht war? Doch durch alle seine häuslichen, bürgerlichen und sozialen Tugenden sowohl wie durch die Strenge seines Eremitenlebens hat Niklaus gleich einem Riesen den steilen Weg bezwungen, der zum Gipfel der Liebe und der Vollkommenheit führt. So wurde er als göttliches Ebenbild zum Freunde Gottes, der er so inbrünstig sein wollte (Rex-Verl. 16. Mai Nr. 19, PP. Pius XII). An anderer Stelle kommt Papst Pius XII Zum Schluss: „Folgt ebenso Niklas von Flüe nach in seiner “Hingabe an Gott“, dann erst könnt ihr in Wahrheit sagen, dass er euer Heiliger ist! Führt seine Grundsätze durch in Bekenntnis und Tat! Dann erst könnt ihr in Wahrheit sagen, dass er euer Heiliger ist. Betet freie Schweizer betet, wie Niklaus von Flüe gebetet hat! Dann könnt ihr mit recht und in Wahrheit sagen, dass er euer Heiliger ist.“ Ja meine lieben Christen, ein Heiliger hat für uns insofern Wert, als wir bewusst oder unbewusst seinem Beispiel nachfolgen.
III.
Geliebte im Herrn! Die heutige Zeit gleich nicht mehr dem Mittelalter, eher dem Urchristentum. Die materialistischen Strömungen der letzten Jahrhunderte haben Religion und Leben getrennt, Religion zur Privatsache erklärt. Und will einer nach seiner christlichen Überzeugung leben, so fällt er bald auf wie ein Christ in heidnischer Umgebung. Ist es da nicht verwunderlich, wenn heute der Name „Heiliger“ wieder auf gute Christen angewendet wird? Ist es da nicht verwunderlich, wenn die Kirche Menschen selig und heiligspricht, wie Contardo Ferrini, Maria Gorretti, Theresia vom Kinde Jesu. Von denen gelten die Worte Gregors des Grossen: „Es gibt unzählige, die, obschon sie kein Wunder wirken, deshalb doch nicht unter solchen stehen, die Wunder wirken.“ Ja Heilige sind wie Sterne am Himmel. Für unser menschliches Auge oft unsichtbar leuchten sie in den weiten Himmelsräumen. „Die Zahl der guten Christen“, sagt der Heilige Vater in seiner Ansprache, „ist heute nicht gering, die Zahl der Helden und Heiligen vielleicht grösser als zuvor“ (Nr.11). Den wieviele nehmen des Tages Last auf sich wie Maria und Josef. In stiller Verborgenheit leben sie nur dem Dienste Gottes und des Nächsten. Ihnen allen ruft Christus zu: „Freut euch und frohlocket, denn euer Lohn wird gross sein im Himmel!“ (Mt 5,12)
Mit Ihnen sind wir heute vereint - credo sanctorum communionem - ich glaube an die Gemeinschaft der Heiligen. „Ja, wir wissen, dass denen die Gott lieben alles zum Besten gereicht, die, die nach dem Ratschluss Gottes berufen sind… Denn die er berufen hat, hat er auch gerechtfertigt, und die er gerechtfertigt, auch verherrlicht. Was wollen wir also dazu sagen? „Ist Gott für uns, wer ist dann gegen uns?“ (Röm. 8,25). So dachten die Heiligen aller Zeiten: Ob sie nun zum Gespött der Heiden wurden, ob sie im Büssergewand einherschritten, ob sie in der Bannmeile ihren Glauben bekannten, sie alle lebten nach ihrem grossen Ziel, an dem sie selber gross geworden sind. Darum denken auch wir meine lieben Christen, wenn unser Glaube Opfer fordert, an die Worte des Völkerapostels: „Wenn Gott mit uns ist, wer ist dann gegen uns.“ Scheuen wir nicht die Mühe“, sagt der heilige Augustinus, „nachzuahmen, was wir mit Freude heute feiern! Verehren und nicht nachahmen ist dasselbe, wie lügenhaft schmeicheln“. Und da uns der Himmel so greifbar nahe einen leuchtenden Stern geschenkt hat im heiligen Landesvater Bruder Klaus, so lasst uns ihm immer mehr nachfolgen in seiner grossen Hingabe an Gott: Herr nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen Dir - auf dass wir alle einst zu den Heiligen Gottes gezählt, auch unser Fest am 1. November begehen dürfen, - das gebe Gott!
Amen.