Das heilige Kreuzzeichen

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16.03.1947 / Sonntag Laetare / Molinära

Meine lieben Christen!

Es war in der Grenzbesetzungszeit, als ein junger protestantischer Ehemann zu einem Pfarrer in Zürich kam und sagte: „Ich möchte konvertieren, ich möchte katholisch werden.“ Wieso, fragte der Pfarrer freundlich. Wegen dem Militärdienst war die kurze Antwort. Soso wegen dem Militärdienst! Das ist nun wirklich eine Seltenheit, dass der Militärdienst Anlass zu Besserung und Bekehrung gibt. Aber gleich rückte der junge Mann mit der Wahrheit heraus: Ich war ins Luzernerland aufgeboten und wurde für einige Zeit in einen Bauernhof einquartiert. Dort trat ich in immer nähere Beziehung zur katholischen Familie des Hauses. Abend für Abend sah ich nun, wie der Hausvater jedem Kinde, Gross und Klein das Kreuzzeichen mit geweihtem Wasser auf Stirne Mund und Brust zeichnete. Das hat mich so beeindruckt, dass ich katholisch werden möchte.
Geliebte im Herrn! Wenn das Kreuzzeichen eine solche Wirkung hat, dann wollen wir heute am 4. Fastensonntag einmal etwas näher darauf eingehen und uns fragen: Warum? Wie? Und Wann?

1. Warum machen wir das Kreuzzeichen?
2. Wie machen wir das Kreuzzeichen?
3. Wann machen wir das Kreuzzeichen?
Wir wollen dies Fragen mit Hilfe des Heiligen Geistes zu beantworten suchen.

1. Wir machen das Kreuzzeichen, weil es das Zeichen der Erlösung ist. Am Kreuze hat unser Herr alle Menschen erlöst. Darum ziert so manches Feldkreuz der Spruch: Im Kreuz ist Heil. – Im Kreuz ist wirklich Heil, im Kreuz ist Segen, im Kreuz ist Glauben. – Pilatus hatte den fruchtbar zugerichteten Heiland dem Volke gezeigt mit den Worten. „Seht, welch ein Mensch!“ – Um wieviel mehr hätte er auf Golgotha ausrufen müssen: „Seht, ist das noch ein Mensch!“ Zerschunden war der heilige Leib, durchbohrt waren Hände und Füsse und Er selbst dem Spott und der Verachtung des Judenvolkes ausgesetzt. So hing unserer Erlöser wegen unserer Sünden. Ja – dem Kreuz sind wir Dank und Verehrung schuldig!
Die tiefste Erniedrigung war aber die höchste Erhöhung für Christus und auch für uns. Denn aller Segen kommt von Golgotha. Dort wurde das Herz des Erlösers geöffnet, welche alle Schätze der Gnade und des Segens in sich barg. Von seiner Seite aus heiligt er uns durch die Sakramente, von seiner Seite strömt so viel Gnade durch die geweihte Hand des Priesters, von seiner Seite fliesst auch der Segen durch deine getaufte und gefirmte Hand. – Hat nicht der heilige Bruder Klaus vom Flüeli aus mit seiner segnenden Hand den Brand von Sarnen gelöscht? Hat nicht der heilige Benedikt mit seinem Segen den vorgesetzten Giftbecher zerbrochen? Das Kreuzzeichen birgt eine grosse Kraft in sich. Papst Innozenz III. schreibt schon vor 700 Jahren: „Das Kreuz stellt die Gesundheit wieder her, erteilt Segen, unterscheidet von Ungläubigen, es befreit von Gefahren, vertreibt den bösen Feind, macht zu Siegern in den schweren Kämpfen der Seele mit der Begierlichkeit des Fleisches. Das Kreuz ist das Geheimnis des Glaubens, die Stärkung der Hoffnung, das Unterpfand der Liebe. Es ist Führer der Blinden, Stab der Lahmen, und Auferstehung der Toten.“
Andächtige! Sollten wir darum dieses heilige Zeichen nicht fleissig machen, das solchen Reichtum in sich schliesst!

2. Wie machen wir nun das Kreuzzeichen?
Auf alle Fälle wollen wir es recht machen. Keine solche verkrüppelten, schludrigen, hastigen und verschmähten Kreuzzeichen, bei denen man nicht weiss, was sie bedeuten sollen. Nein! Ein rechtes Kreuzzeichen zeichnen wir langsam, gross und ehrfurchtsvoll. So wirkt es segensreich. Mann beginnt beim Kopf: Er ist das Haupt, die Schöpfung, der Vater. Dann kommt das Herz: Die Liebe, das Leben, die Erlösung, der Sohn. Hierauf die Schultern: Die Stärke, der Heilige Geist. Alles erinnert uns an das Kreuz. Wir selber sind in Kreuzesform gebildet. --
Es gibt nun verschiedenen Kreuzesformen. In der ersten christlichen Zeit bezeichnete man sich gewöhnlich nur auf die Stirne. Im 12 Jahrhundert wurde es auf Stirne, Mund und Brust üblich. Das grosse lateinische Kreuz Stirne, Brust und Schultern kam erst im 13. Jahrhundert auf und wird besonders vom Priester im Breviergebet, aber auch von den Gläubigen angewendet.
Das heilige Kreuzzeichen nun hatte sich so in das Volk eingebürgert, das Luther nicht wagte dagegen aufzutreten. Erst seine Nachfolger haben es schliesslich abgeschafft, sodass heute das Kreuzzeichen den katholischen Glauben gleichsam bezeugt. Brauchen wir uns deshalb zu schämen, wo auf der ganzen Welt 400 Millionen damit ihren Glauben bekennen? Zu schämen brauchen wir uns bloss vor dem unwürdigen sich bekreuzen.
Liebe Christen! Eine solche Unehre verdient doch gewiss unser Erlöser nicht!

Nun kommen wir zur letzten Frage:
3. Wann machen wir das Kreuzzeichen?

Hier eine Antwort zu geben ist nicht schwer, nämlich bei jeder wichtigen Sache: Vor dem Beten, damit es uns ordne und sammle, Gedanken, Herz und Wille in Gott fasse. Nach dem Gebet, damit in uns bleibe, was Gott uns soeben geschenkt hat. In der Versuchung, dass es uns stärkt. In der Gefahr, dass es uns schützt. – Wir machen auch das Kreuzzeichen beim Segen des heiligen Messopfers, auf dass Gottes Beistand die ganze Woche hindurch bei uns sei. – Weiter noch beim Aufstehen, beim Zimmer verlassen, vor und nach dem Essen, beim Ausgehen, kurz gesagt, immer wenn wir gut anfangen und gut aufhören wollen.

Liebe Christen! Zwar ist es eine allgemeine Aufgabe des Priesters zu segnen. Er segnet die Menschen, er segnet Haus und Stall, Vieh und Weide. Aber auch der Hausvater segnet. Ein schöner Brauch ist es auch, wenn er das Brot vor dem Anschneiden segnet. Vergessen wir aber nie die Kinder zu segnen. Sie brauchen den Schutz Gottes besonders in der heutigen Zeit.
In den letzten Jahren war bei unserem Pfarrer in Sarnen sein 7 jähriger Neffe in den Ferien. Es war Winter. Da fragte der Bub wieder einmal um die Erlaubnis zum Schlitteln. Der Onkelpfarrer entliess ihn mit dem heiligen Kreuzzeichen und der Mahnung gut aufzupassen. Mit seinem gleichjährigen Nachbar fuhr er den Kirchhof hinunter. Da - ein Auto kam von einer Seitenstrasse her – und sie fuhren hinein. Der Neffe blieb, obwohl er der Erste war, ganz unverletzt. Der andere aber hatte schon sein junges Leben dem Schöpfer zurückgegeben, als der Pfarrer kam.

Ja, meine lieben Christen, macht das Kreuzzeichen in Ehrfurcht über eure Stirn! Macht es über die Stirn eurer Kinder, seien sie gross oder klein! Macht es über die Äcker mit der ersten Handvoll Saatkörner, denn an Gottes Segen ist alles gelegen.

Und welches war das erste religiöse Zeichen, dass deine Mutter in grosser Liebe über dich machte? Sie nahm wohl zuerst sachte dein zartes Händchen und führte es in heiliger Freude über dich:
Im Namen des Vaters, der dich vom kleinsten Keim bis zum lebensfähigen Kleinkind gebildet hat.
Im Namen des Sohnes, der dich durch sein bitteres Leiden und Sterben erlöst und zum Gotteskind gemacht hat.
Im Namen des Heiligen Geistes, der an unsere körperlichen und geistlichen Entwicklungen mithilft und uns täglich, stündlich – ja, jeden Augenblick mit seiner Gnade beisteht, auf dass wir einst mit dem Vater und mit Ihm unserem göttlichen Heiland ewig danken können für seine Kreuzesliebe. Das gebe Gott!

Amen.

Die Kirche segnet nie, ohne das Kreuz zu machen, und Gott schickt nie ein Kreuz, ohne zu segnen. (Heiliger Ignatius)





(Anmerkung: Das Original dieser Predigt wurde ursprünglich mit einer Schreibmaschine geschrieben und dann teilweise manuell nachkorrigiert. Dies führt dazu, dass einzelne Wörter, welche nicht eindeutig lesbar waren «rekonstruiert» werden mussten. Der Inhalt wurde dadurch aber nicht verfälscht.)