Die Ehe

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17.05.1948 / Pfingstmontag / Sachseln

Meine Liebe Brautleute geliebte Angehörige!

Ein Tag war es, der den Aposteln ganz besonders unvergesslich blieb - der erste Pfingsttag, jene Stunde an welcher der Heilige Geist sichtbar, Feuerzungen gleich, auf sie niederkam und sie mit Kraft erfüllte den Glauben an Christus in die Welt hinauszutragen.

Ein Tag aber, meine lieben Brautleute, wird auch euch in steter Erinnerung bleiben, der Pfingstmontag 1948, jenen Augenblick, an welchem derselbe Heilige Geist durch euer Ja-Wort unsichtbar zwar, aber doch wirksam eure Seele stärkt, eure heiligmachende Gnade vermehrt und euch den Gnadenbeistand verleiht, der nötig ist, die Aufgaben des neuen Standes in Freud und Leid gottgefällig zu erfüllen. Durch dieses Sakrament verbindet ihr euch heute im Angesichte der zwei Zeugen und unter dem Gebet eurer Angehörigen zu immerwährenden Treue und fruchtbringender Liebe. Und die Kirche bestätigt diesen Bund des Lebens und ruft über euch die Gnade und den Segen des Himmels herab.

1. Das Ehesakrament

Geliebte Brautleute! Ihr steht vor dem Altar, wo der Heilige Bruder Klaus seine letzte Ruhestätte gefunden hat. Dieser vorbildliche Gatte und Familienvater zeigt euch, wie ihr euer neues Leben gestalten sollt. Wölflin schreibt über ihn: “Nachdem Niklaus aus dem Jünglingsalter in die Zeit der Reife gekommen war, wurde er durch das Sakrament der Ehe nicht aus Zufall oder um schnöder Ergötzlichkeit willen, sondern aus erkannter göttlicher Anordnung mit einer gewissen ehrbaren Jungfrau Dorothea vermählt.“ (Durrer S.533.)

Die Würde und Hoheit der Vermählung sah also Bruder Klaus in der göttlichen Anordnung begründet. Nicht von Menschen ist die Ehe eingesetzt, sondern von Gott und von Christus zum Sakrament erhoben. Darum ist das Eheleben in keiner Weise der Willkür des Menschen überlassen, sondern untersteht dem göttlichen und kirchlichen Gebot. Aber wenn die Ehe auch von Gott stammt, hat der Wille des Menschen doch grossen Anteil daran. Das Ehesakrament gründet im Jawort von Braut und Bräutigam und dadurch werden sie der Seele nach verbunden und verschmolzen, und zwar eher und inniger als dem Leibe nach. Vergleicht doch der heilige Thomas diese Verbindung mit der innigen Vereinigung Christi in der heiligen Kommunion. Das ist die unvergleichbare Eigenart des Ehesakramentes, woraus das goldene unverrostbare Eheband entsteht, durch welches ihr nicht gefesselt, sondern geschmückt, nicht gehemmt, sondern gestärkt werdet in einem tugendhaften Leben euch gegenseitig zu vervollkommen und so zum Himmel zu führen. Finden wir bei Bruder Klaus nicht schon am Traualtar diese heilige Auffassung vom Ehesakrament? Wir lesen ja in der Biografie: “Nicht aus Ergötzlichkeit, sondern aus erkannter göttlicher Anordnung vermählte er sich.“

2. Treue

Aber meine lieben Brautleute, auch sein Eheleben, mit seiner immerwährenden Treue und fruchtbringenden Liebe kann euch Vorbild sein. Lassen wir hierüber einem Zeitgenossen das Wort: “Indem sie die eheliche Treue niemals, auch nicht durch ein Wort verletzen, empfingen sie 10 Kinder 5 Knaben und 5 Mädchen. Mit diesen neuen Sprösslingen ihres alten Stammes, merten Sie die Gemeinschaft der Gläubigen. Sie unterwiesen sie voll Güte in der Gottesfurcht und suchten sie in allem dem Vater endlich zu machen.“ (Durrer S.533) Ein kostbares Gut der Ehe ist also die immerwährende Treue. Sie besteht in der gewissenhaften Einhaltung des Ehevertrages beider Gatten. In der Unauflöslichkeit wie sie der Schöpfer von Anfang her gewollt und “Was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen“. (Mt 19,5).

Diese Worte stehen wie in Stein gemeisselt in der Heiligen Schrift. Sie gelten wörtlich auch für unsere Zeit, die so leicht über diese Schranken hinwegsehen will. “Ja, sie enthalten,“ sagt der Papst Pius XI. in seiner Eheencyclica, „ein Gesetz Gottes und der Natur, dass kein menschlicher Wille jemals zu biegen oder zu brechen vermag.“ (G.Connubii, Marmy 334).

Doch ihr fragt mich: “Hat nicht Bruder Klaus seine Gattin verlassen und ist reuelos in die Einsamkeit gezogen? Ja es scheint im ersten Augenblick, dass ein Makel ihn träfe. - Doch nein! Weit entfernt, dass er jemals die eheliche Treue gebrochen, hat er nur mit Übereinstimmung seiner Gattin und nach dem Willen Gottes gehandelt. Gott ist Herr der Ehe. Er steht über der Ehe. Und wo Gott einer höheren Aufgabe ruft, gibt es kein Zurückschauen. Je schwerer das Opfer der Trennung für Bruder Klaus war, desto mehr Segen brachte es uns. Denn welcher Eidgenosse hat das Eheglück in unserer Heimat mehr gefördert, als der Einsiedler vom Ranft? Denken wir an die Verhütung eines unseligen Bruderkrieges durch den Frieden von Stans. Wer hat so vielen Schweizerfamilien in zwei grausamen Weltkriegen den Gatten und Vater erhalten, wenn nicht die Opfer und Verdienste vieler Schweizerheiligen, aus denen unser Landesvater herausragt.

Ja, solange ihr Gott treu seid, seid ihr auch treu euren Ehepflichten, treu gegeneinander bis in den Tod.

3. Liebe

Meine lieben Brautleute! Ausser der Treue gibt es noch ein anderes Gut, welches die Ehe „leichter, liebreicher und anziehender“ macht, wie der heilige Augustin sagt. Es ist die Liebe. Gatte und Gattin sind durch eine besonders reine, heilige Liebe miteinander verbunden, so dass sie verglichen werden mit der Liebe Christi, die er zu seiner Kirche hat. „Ihr Männer“, sagt nämlich der heilige Paulus, „liebet eure Frauen, wie auch Christus seine Kirche geliebt hat!“ (Kol. 3,19)

Christus hat sie sicher mit einer unendlichen Liebe umfasst, nicht aus Eigennutz, sondern weil er das Wohl der Braut, die Kirche, im Auge hatte. In einer solchen Liebe herrscht erfürchtige Unterordnung. „Die Frau soll ihrem Manne untertan sein wie dem Herrn! Denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie Christus das Haupt der Kirche ist.“ (Eph.2, 22-23) So soll auch der Mann für Christus und die Frau für die Kirche lebendiges Abbild sein. Darum ist die Frau nicht Magd, sondern gottgeadelte Gehilfin des Gatten. Mutter seiner Kinder, wie es Dorothea bei Bruder Klaus war.
Zehn Kindern schenkte sie das Leben. Bereitwillig und dankbar nahmen sie diesen Elternsegen aus der Hand Gottes an und betrachteten ihn als anvertrautes Talent, über welche sie einst Rechenschaft abzulegen haben. Denn mit der Geburt des Kindes ist die Aufgabe der Ehe keineswegs erschöpft. Es kommt hinzu die Erziehung. Und hier ist Niklaus von Flüe richtungsgebend. Der Heilige Vater sagte deshalb bei der Heiligsprechung letztes Jahr in Rom: “Als ihn die Vorsehung mit zahlreichen Kindern beschenkte, hat er sie mehr noch durch sein Beispiel als durch seine Autorität zu Arbeitsliebe und zu treuer Erfüllung der religiösen, familiären und bürgerlichen Pflichten erzogen.“ (Rex-V. Bruder Klaus, Vorbild des Schweizervolkes S.8) Durch eigene Selbsterziehung, das nämlich will sagen, durch sein eigenes Beispiel, werden die Kinder besser erzogen, als du harte Befehle. So ist Bruder Klaus mit seiner Gattin Dorothea euch in allem das Vorbild eines christlichen Familienlebens geworden. Die Gnaden, die sie durch das Ehesakrament erhielten, haben sie benutzt zu ehelicher Treue und fruchtbringender Liebe, diese Gnaden haben sie noch vermehrt durch das gemeinsame Gebet, durch den Rosenkranz.

Darum wollen wir, meine lieben Brautleute, da wir im Marienmonat stehen die Mutter des göttlichen Heilandes auch zur heutigen Festfeier einladen. Und sie kommt, wie damals zur Hochzeit von Kanaan. Und sie wird euch beistehen mit den Gnaden ihres Sohnes in Freud und Leid, in gesunden und kranken Tagen. Nur eine Bitte stellt sie an euch: “Was er euch sagen wird, das tut!“ (Joh. 2,5) Ja was Christus euch durch die Kirche sagt über die Rechte und Pflichten in der Ehe, das befolget! Und dann wird echtes Eheglück und wahre Familiensegen bei euch nie ausgehen, wie der Wein von Kanaan durch ihre Fürbitte auch nicht ausgegangen ist.

Amen.





(Anmerkung: Das Original dieser Predigt wurde ursprünglich mit einer Schreibmaschine geschrieben und dann teilweise manuell nachkorrigiert. Dies führt dazu, dass einzelne Wörter, welche nicht eindeutig lesbar waren «rekonstruiert» werden mussten. Der Inhalt wurde dadurch aber nicht verfälscht.)