Die Unfehlbarkeit des Papstes

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21.01.1951

Geliebte im Herrn!

Papstsonntag feiert heute die ganze katholische Welt. Was soll das heissen? Ehrung einer Person, Vergöttlichung eines Menschen, Vergewaltigung der heiligen Schrift? Was hört man nicht alles über das Papsttum! Gibt es eine Lehre der katholischen Kirche die mehr diskutiert wurde als diese? Selbst die Katholiken bilden hierin keine Ausnahme. Erst das Konzil vom Vatikan im Jahre 1870 machte dieser Auseinandersetzung ein Ende, mit dem Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes. Ausserhalb der Kirche aber ging der Kampf gegen den heiligen Stuhl weiter. Das neue Dogma wurde als päpstliche Anmassung, als Knechtung der kirchlichen Freiheit verschriehen. Ein Teil fiel auch von der katholischen Kirche ab und bildete die altkaholische oder christkatholische Gemeinde. Sie nahmen das Dogma der Unfehlbarkeit nicht an. Aber scheint es nicht so, als ob die Gegner bei näherem Zusehen in etwas recht bekämen? Haben wir nicht Päpste gehabt, die es an Gelehrsamkeit, an Frömmigkeit, an Sittenreinheit haben fehlen lassen. Klein ist wohl deren Zahl, aber wo bleibt da ihre Unfehlbarkeit?

Geliebte im Herrn! Bevor wir überhaupt darauf Antwort geben können, müssen wir wissen, was unter dem päpstlichen Dogma zu verstehen ist. Was sagt das vatikanische Konzil über die Unfehlbarkeit: Etwa, dass der Papst nicht sündigen könne? Dabei hat die Kirche das Gnadenprivileg der Sündenlosigkeit einzig der allerseligsten Jungfrau Maria zugesprochen. Nebenbei gesagt, hat jeder Papst seinen Beichtvater. Oder etwa, er könne sich nicht irren in wissenschaftlichen Berechnungen? Galilei wurde vom päpstlichen Gericht verurteilt, wie er gegen die Anschauung der Bibel lehrte: die Erde drehe sich um die Sonne. Was der Tatsache entspricht. Das päpstliche Gericht hat sich also geirrt. Der Kreis der päpstlichen Unfehlbarkeit wird immer enger. Ja das Dogma lässt sich immer noch halten, auch wenn man annimmt, dass der Papst privat in religiösen Dingen einen Irrtum annehmen kann, zum Beispiel, dass er einen Menschen für heilig hält, der es nicht ist. Einzig und allein, wenn er als Oberhaupt öffentlich für die ganze Kirche in Glaubens- und Sittensachen entscheidet ist er unfehlbar. Und darin liegt das grosse Gewaltige, das Göttliche, darin darf der Papst die Worte Christi für sich anwenden: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen!“ Denn dem Petrus hat Christus die Schlüssel des Himmelreiches gegeben: „Was du auf Erden binden wirst, wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, wird auch im Himmel gelöst sein!“
Nach den Worten des Konsils vom Vatikan wurde den Nachfolgern Petri der heilige Geist gegeben, dass sie das von den Aposteln überlieferte Glaubensgut gewissenhaft hüten und treu auslegen. – Mit Wehmut schauen wir auf die Brüder die von uns getrennt sind. Welcher Mensch kann da noch aus den verschiedenen Kirchen und Sekten herausfinden, welches die Lehre Christi ist, was zu glauben und was zu verwerfen ist? Oder welche Instanz hat die Festigkeit an einem Sittengesetz ohne Kompromis festzuhalten, auch wenn es in der Bibel verlangt ist, wie die Unauflöslichkeit der Ehe. „Das ist der Ruhm der Päpste,“ sagt Leo XIII., „dass sie mit höchster Standhaftigkeit wie eine Mauer und ein Bollwerk sich entgegenstellte, damit nicht die menschliche Gesellschaft in den alten Aberglauben und in die Barbarei zurückfalle (Inscrutabili). Der Papst ist der Fels der Glaubens- und Sittenlehre. Darin besteht seine Unfehlbarkeit.

Meine lieben Christen! Es ist begreiflich, dass dies jedem Freidenker ein Dorn im Auge ist. Das Christentum lässt sich nicht nach Gutdünken abbiegen. Es ist verständlich, dass sich die Gewalthaber in ihrer Willkür eingeengt fühlen, wenn die Kirche wie ein Johannes der Täufer auftritt, der dem Herodes ins Gesicht die Worte schleudert: „Es ist dir nicht erlaubt deines Bruders Weib zur Frau zu nehmen!“ Es ist aber auch nicht von ungefähr, dass der Kommunismus heute nur mehr mit der katholischen Kirche rechnet und 70-jährige Bischöfe wegen Spionage mit dem Ausland lebenslänglich zum Kerker verurteilt, wie letzte Woche in der Slowakei geschah. Was bedeutet aber Spionage mit dem Ausland anders, als Treue zum heiligen Vater. Warum wurde den ukrainischen Bischöfen erlaubt auf ihren Diözesen zu bleiben, wenn sie den Papst als Oberhaupt ablehnen. Doch alle büssten ihre Romtreue mit Freiheit. -
Samson der Prophet und Richter Israel, bekannt durch seine Kraft, war durch List von den Philistern gefangen genommen worden. Bei einem Fest dieser Heiden wurde er zu ihrer Belustigung ins grosse Gebäude geführt, wo sie versammelt waren. Da redete er zum Knaben, der ihn geführt hatte: Lass mich los und hilf mir, die Säule zu betasten, auf denen das Haus ruht. Ich möchte mich anlehnen. Der Knabe entsprach dem Wunsche. Da ergriff Samson die beiden Säulen, auf denen das Gebäude ruhte, neigte sich mit Macht und zerbrach sie mit seiner Kraft, dass das ganze Haus zusammenstürzte und ihn mit Fürsten und Volk begrub (Richter 16,23 ff.). – Die Säule der Kirche ist der Papst. Der Feind weiss sehr wohl, dass mit seinem Sturze das ganze Gebäude der Kirche zusammenfiele. Niemand lasse sich täuschen. Ein Angriff gegen den Papst ist immer ein Angriff gegen die Kirche, gegen Christus. „Es gibt keinen Feind des Christentums, der den Heiligen Stuhl nicht gründlich hasst,“ schreibt Thomas Morus an den abtrünnigen Heinrich VIII., „aber auch keinen Feind Roms, der nicht früher oder später auch an der christlichen Religion zum Verräter wird.“ (Koch 349,4,5)

Geliebte im Herrn. Ist es daher Vergöttlichung eines Menschen, wenn wir einmal im Jahr das Papsttum feiern, und seinen Träger ehren? Ist es gegen die Bibel, wo das Papsttum älter ist wie das Neue Testament der Bibel? Dankerfüllt neigen wir uns tief vor Christus, der uns einen solchen Hort des Glaubens gestiftet, durch alle Jahrhunderte hindurch und ihm allein die Zukunft verhiessen hat: „Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen!“

Amen.





(Anmerkung: Das Original dieser Predigt wurde ursprünglich mit einer Schreibmaschine geschrieben und dann teilweise manuell nachkorrigiert. Dies führt dazu, dass einzelne Wörter, welche nicht eindeutig lesbar waren «rekonstruiert» werden mussten. Der Inhalt wurde dadurch aber nicht verfälscht.)