Die guten Willens sind

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21.12.1950

Geliebte, zur Christfeier Versammelte!

Wie eine geschätzte Chronik aus unseren Archiven beginnt die Weihnachtsbotschaft. In jener Zeit erging vom Kaiser Augustus ein Befehl zur allgemeinen Volkszählung. Palästina, das damals zum Königreich gehörte, stand auch unter dieser Verfügung. Und wie es im Morgenland Brauch war, musste dazu ein jeder in seine Vaterstadt. Maria und Josef, die in Nazareth wohnten, gehörten zum Geschlechte David, mussten also in jene Stadt, von der der Prophet Michäus schon 700 Jahre vorher geweissagt hatte: „Du Betlehem, bist keineswegs die geringste unter den Fürstenstädten Judas, denn aus dir wird bald hervorgehen, der Fürst, der mein Volk regieren soll.“ (Mich. 5,2). Und da geschah es, dass sich die Zeit erfüllte.

Geliebte! Berührt es uns nicht immer so ansprechend und doch wieder so unaussprechlich, wenn wir alljährlich Weihnachten feiern dürfen. „Und sie gebar ihren erstgeborenen Sohn.“ – „Der das All umfasst, in dem und durch den alles geschaffen ist, wie Paulus sagt, derselbe wird ganz wie jeder andere Mensch zur Welt gebracht; ihn bei dessen Wort die Erzengel und Engel erzittern, Himmel und Erde und alle Elemente dieser Welt vergehen, denselben hört man wimmern wie ein Kind; der Unsichtbare und Unfassbare ist nun dem Gesicht, Gefühl, Getast der Sterblichen wahrnehmbar, in Windeln eingehüllt.“ (Hilarius v.P. ZdW 9 St.49). Was mag wohl Gottessohn bewegt haben, uns in allem gleich zu werden, die Sünde ausgenommen? Ich bin gekommen, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat. Es ist der Wille des himmlischen Vaters. Ihm verdanken wir das wahre Weihnachtsgeheimnis. Ihm, dem der Sohn sich in freier Gehorsam gebeugt hat. Darum kann ihn der Vater vor den Jüngern auf Tabor loben: „Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe. Hört auf ihn!“ (Mt. 17,5).

Weihnachten zeigt uns also, dass es nichts Grösseres auf Erden gibt, als den Willen Gottes zu erfüllen. Kaiser Augustus erfüllte ihn unbewusst durch seinen Erlass und bewahrheitete dadurch die Weissagung über Bethlehem. Vom Blindgeborenen im Evangelium überliefert Johannes: „Er trage sein Leid, damit an ihm Gottes Werke offenbar werden.“ (Joh. 9). „Endlich muss jeder Mensch die Gabe Gottes, darin er berufen ist, gewisslich erkennen, damit er dieselbe im Willen Gottes vollbringe.“, schreibt der grosse Arzt und Gelehrte Parazelsus im Mittelalter. Hat er diese nicht dem Gebet des Herrn abgelauscht: Dein Wille geschehe wie im Himmel also auch auf Erden? Jeder von uns ist da, um zu sein und zu tun, was nur ihm bestimmt ist. Aber gibt es nicht Stunden, wo wir alle an dieser Bestimmung zweifeln: bei Misserfolgen, Prüfungen, Krankheiten. Dann schau in die Krippe! Ist es selbstverständlich, dass klägliche Armut das Christkind auf Erden empfing, dass verachtete Hirten zuerst den Weg zum Glück fanden? Der Wille Gottes erfüllte sich auch da. Pflegst du die Kranken, dann mag deine Arbeit ihm dienen. Bist du niedergeschlagen, dann soll dein Leid ihm huldigen. Bist du froh, dann wird dein Dank ihn freuen.

Wer Weihnachten in diesem Lichte sieht, den erinnert der brennende Christbaum, die schöne Krippe, nicht nur an sorglose Kindertage, an trautes Familienglück, sondern auch an den tiefsten Sinn unseres Lebens. Und diesen Trost möchte ich euch wünschen auf Weihnachten mit den Worten der Engelchöre: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden, die guten Willens sind!“

Amen.





(Anmerkung: Das Original dieser Predigt wurde ursprünglich mit einer Schreibmaschine geschrieben und dann teilweise manuell nachkorrigiert. Dies führt dazu, dass einzelne Wörter, welche nicht eindeutig lesbar waren «rekonstruiert» werden mussten. Der Inhalt wurde dadurch aber nicht verfälscht.)