Bibel: Gottes Wort in irdischer Hülle
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29.07.1951 / 11. Sonntag nach Pfingsten
Geliebte im Herrn!
Kein Gleichnis hat eine so umfangreiche Schreiberei hervorgerufen, wie das vom ungerechten Verwalter. Man hat Anstoss genommen, dass uns ein geriebener Betrüger als nachahmenswertes Beispiel hingestellt wird. Man hat Erklärungen gesucht, die weit auseinander gehen und schließlich sogar verlangt, dieses Gleichnis als fremdartiger, dem Geiste Jesu widersprechender Bestandteil aus der Bibel zu streichen oder stillschweigend zu übergehen. Warum aber hat die Kirche gerade diesen Text in eine Sonntagsmesse hineingenommen, der jährlich wieder vorgelegt wird. Hätte sie nicht genug andere, schönere Texte finden können? Was ist davon zu halten? Was ist überhaupt zu solchen Meinungen zu sagen? Dürfen wir so leichthin über Verse der Heiligen Schrift urteilen, wie über Abschnitte eines Romans oder über Seiten eines Schulbuches? Solche Beispiele wie das heutige Evangelium sind wohl Prüfsteine unseres Glaubens, aber das heisst noch nicht, dass wir sie nach Gutdünken wegwerfen dürfen. So mahnt uns der Heilige Petrus: “Wisset vor allem, dass keine Schriftweissagung Sache eigener Deutung ist, denn eine Weissagung ist niemals durch menschliches Wissen zustandegekommen, sondern die heiligen Männer Gottes haben auf Antrieb des Heiligen Geistes geredet.“ (2 Ptr. 20-21) Das ist so ein Hinweis, wer zu uns spricht. Ebenso auch ein Hinweis, auf welche Weise zu uns gesprochen wird. Wir wollen näher darauf eingehen.
Meine lieben Christen! Wer spricht in der Bibel zu uns. Kurz gesagt – Gott. Wenn wir die Redeweise Christi über die hl. Schrift des Alten Testaments prüfen, finden wir, wie ehrfurchtsvoll und rechtsgültig er darüber spricht: „Glaub nicht ich sei gekommen Gesetz und Propheten aufzuheben. Nicht sie aufzuheben bin ich gekommen, sondern sie zu erfüllen.“ (Mt. 5,17) Jesus anerkennt das Alte Testament als göttliche Offenbarung und zitiert es oft. Mit Schriftworten schlägt er die Versuchung des Satans zurück, der heuchlerisch bat: „Wenn du Gott bist, so mache, dass diese Steine Brot werden!“ Es steht geschrieben: „Nicht vom Brote allein lebt der Mensch, sondern von jedem Wort, das vom Munde Gottes kommt!“ (Mt. 4,4) Den freisinnigen Sadduzäern beweist er aus der hl. Schrift die Auferstehung der Toten. „Habt ihr nicht im Buche Moses gelesen, was die Auferstehung der Toten betrifft? Ich bin der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Gott ist aber kein Gott der Toten, sondern der Gott der Lebendigen. Ihr seid also gewaltig im Irrtum.“ (Mk 12,26) So hoch achtet Jesus die Schrift, dass nach seinem strickten Befehl nicht ein Jota, nicht ein Buchstabe daran willkürlich geändert werden darf. Die Apostel handelten auch darnach. Paulus empfiehlt seinem Schüler Timotheus die hl. Schrift als von Gott gegeben und „jede Schrift, die von Gott gegeben, ist nützlich zur Belehrung, zur Zurechtweisung, zur Besserung und zur Erziehung in der Gerechtigkeit.“ (2.Tim. 3,15) Mit der gleichen Ehrfurcht steht auch die Urkirche vor dem Alten und Neuen Testament Die Gläubigen hören aus diesen Schriften das Echo des Pfingstwunders, wo der hl. Geist über diese Männer herab kam und sie zu besonderen Werkzeugen göttlicher Lehrverkündigung machte. Die Kirchenväter nennen sie hl. Schriften, weil aus ihnen Gott selber spricht. Und wirklich, sie sind Briefe des himmlischen Vaters an uns seine Kinder, die uns sagen, was daheim los ist, noch mehr, die uns belehren, was wir tun müssen, um in die ewige Heimat zu gelangen. Die Bibel ist der kostbarste Fahrplan! Das grösste Geschenk Gottes! Sollen wir Sie nicht mehr benützen, besonders in kranken Tagen?
Meine Lieben Christen! Wie hat er aber seine Worte uns kundgetan? Gott selbst hat es nicht geschrieben. Auch nicht übergeben, wie die steinernen Tafeln mit den 10 Geboten, die er auf dem Berge Sinai unter Blitz und Donner dem Moses übergab. Menschen waren dabei tätig. Sie brauchten Federkiel und Tinte wie wir. Aber sie standen unter dem besonderen Einfluss des hl. Geistes. „Wenn jener kommt, der hl. Geist, wird er euch in alle Wahrheit einführen.“ Er hat das Denken und Wollen der hl. Schreiber beeinflusst, auf dass sie nur das niederschrieben, was er wollte. Doch die Denkweise die Bildersprache, die Ausdrücke verraten den Menschen, seine Zeit, sein Volk, seine Bildung. Darum schreibt einer hoch wie der Paulus, schreibt einer volkstümlich wie Matthäus, schreibt einer was den Arzt interessiert, Lukas der Arzt von Beruf war, schreibt einer was die göttliche Liebe preist, der Liebesjünger Johannes. Äusserlich ist es am Buch nicht sichtbar, was seinen göttlichen Ursprung kennzeichnete. Würdest du etwa Christus erkennen, wenn er jetzt als Mensch vor dir stünde? Nein. Vielleicht würdest du ihn nach seinem Aussehen als Juden bezeichnen. Und doch liegt in dieser menschlichen Hülle das geheimnisvolle Zusammenwirken zwischen Gott und Mensch, liegt in der irdischen Fassung der Bibel das Gold der göttlichen Wahrheit verborgen.
Wundere dich also nicht, mein lieber Christ, wenn dich ganze Seiten der hl. Schrift recht menschlich anmuten, wenn dir das heutige Evangelium rätselhaft scheint. Die Offenbarung Gottes tritt nicht mit geschwollenem Glanz auf, sondern in der Schlichtheit unvollkommener Sprache und alltäglichen Lebens. Die Offenbarung Gottes wird nicht den Stolzen und Satten eine Offenbarung, sondern den Demütigen und Armen im Geiste. Nicht nur im Menschen Jesus, sondern auch in der hl. Schrift ist Gott ein verborgener Gott. Wer das heutige Evangelium ungläubig liest, wird sich ärgern, wer es aber aufnimmt als Gottes Wort, was es in Wahrheit ist, findet darin die Lehre: Klug bist du nach menschlichem Ermessen, wenn du für das irdische Leben, für den Mammon, alles tust, selbst die List nicht verabscheuest – klug bist du nach göttlichem Ermessen, wenn du für dein ewiges Leben, deine Seele, alles tust, selbst ein grosses Opfer nicht scheuest. „Nur dann wirst du, wenn es mit dir zu Ende geht, in die ewige Heimat aufgenommen.“ (Lukas 16,9)
Amen.